Videounterricht an der Tilly-Lahnstein-Schule

Welche Herausforderungen haben sich gestellt? Was haben alle gelernt und wo sind sie verzweifelt?
Eine Lehrerin an der Tilly-Lahnstein-Schule der Nikolauspflege, schildert ihre Erfahrungen.

Im März 2020 wurden die Schulen wegen der Corona-Krise sehr plötzlich geschlossen. Ohne Vorbereitungsmöglichkeit mussten alle Beteiligten improvisieren, um den Unterricht fortsetzen zu können und große Lücken zu verhindern.

Das passende Videokonferenzsystem zu finden, war gar nicht so einfach. Die meisten Schülerinnen und Schüler und Kolleginnen und Kollegen befanden sich wie viele Berufstätige zum ersten Mal in einer Videokonferenz – mit den bekannten Startproblemen, wie zum Beispiel die Mikrofon- und Soundeinstellungen zu finden sowie die erforderlichen Berechtigungen zu erteilen, was bei der Nutzung von Hilfsmitteln und Vergrößerungssoftware zusätzliche Hürden darstellte.

Der Datenschutz oder mangelnde Barrierefreiheit ließen einige Systeme erst gar nicht zu. Dennoch: Von Anfang an trafen wir uns zum Videounterricht nach dem regulären Stundenplan. Nach vorheriger Einladung per E-Mail nahmen fast alle meine Berufsschülerinnen und –schüler regelmäßig und zuverlässig am Videounterricht teil, was mich sehr freute.
 

Barrierefreiheit ist für blinde und sehbehinderte Schülerinnen und Schüler die Voraussetzung für eine erfolgreiche Teilnahme am Unterricht

Wichtig ist eine einfache Bedienbarkeit auch mit Hilfsmitteln. Sie ist Voraussetzung, dass blinde und sehbehinderte Menschen ohne Hilfe von Angehörigen am Videounterricht teilnehmen und lernen können.

In meinen Unterrichtsfächern „Textverarbeitung“ und „Datenverarbeitung“ benötigen wir zudem die Möglichkeit, gleichzeitig alle Bildschirme teilen, also anzeigen zu können. So ist eine Unterstützung in Echtzeit möglich, zum Beispiel bei der Erarbeitung neuer Funktionen in Word und Excel. Ich kann auf Schreib- und DIN-Fehler direkt hinweisen. Nach einer gemeinsamen Einführung in ein neues Thema bearbeiten die Schülerinnen und Schüler praktische Übungen, die ich in Echtzeit am Bildschirm individuell begleite. Alle können während der Bearbeitung ihrer Aufgabe jederzeit Fragen stellen und sich rückversichern - so erübrigt sich das Hin- und Herschreiben zahlreicher E-Mails.

Wegen der besonderen Belastung im Videounterricht gestatte ich meinen Klassen individuelle Seh- bzw. Hörpausen bei der Bearbeitung ihrer Aufgaben. Obwohl der Videounterricht mittlerweile sehr gut klappt, dauert vieles jedoch länger als im Präsenzunterricht. Die unterschiedliche Hard- und Software, die die Schülerinnen und Schüler zu Hause nutzen, stellt oft ein Hindernis dar.

Zusammenfassend kann ich festhalten, dass Videokonferenzen im Fernunterricht durch die direkte Kommunikation mit der Lehrkraft und den Schülerinnen und Schülern eine große Bereicherung darstellen. Allerdings sind ganztägige Videokonferenzen für Menschen mit einer Sehbehinderung noch anstrengender als für Menschen ohne Sehbehinderung – sowohl im Hinblick auf die Sehanforderungen als auch wegen der ständigen Konzentration auf gesprochene Sprache mit der Zoomtext- oder Jaws-Sprachausgabe. Auch ist für Schülerinnen und Schüler zukünftig die Ausstattung mit einheitlicher Hard- und Software als deutliche Erleichterung für den Fernunterricht wünschenswert.

Die Digitalisierung hat durch Videokonferenzen einen Schub erhalten; viele unserer Schülerinnen und Schüler haben neue Fertigkeiten erworben, die im künftigen Berufsleben vorausgesetzt werden. Dennoch freuen sich fast alle auf den Unterricht mit persönlichen Kontakten im Klassenzimmer. Schülerinnen und Schüler, die sich auf die Schule freuen oder gar nach dem Unterricht sehnen – wer hätte sich das früher vorstellen können? Auch die Lehrkräfte kehren wegen der direkten Kontakte gerne in den Präsenzunterricht zurück.


Und das sagen die Schülerinnen und Schüler:

„Nach dieser langen Zeit im Homeoffice rückt jedoch der Drang nach persönlicher, sozialer Interaktion sehr deutlich in den Vordergrund und kann durch keine noch so gute Anwendung ersetzt werden“

„Mit dem Videounterricht in der Berufsschule komme ich gut zurecht. Ich habe auch alle Hilfsmittel, die ich benötige und habe mich mit Hardware ausgestattet. Von den Lehrerinnen und Lehrern bekommen wir immer Aufgaben und auch die Kommunikation über Mail-Kontakt klappt sehr gut. Nur manchmal ist es ein bisschen anstrengend für die Augen, wenn man den ganzen Tag im Videounterricht ist. Ich finde es gut, dass die Schule sehr viele Klassenzimmer mit einer Kamera ausgestattet hat, sodass auch Lehrerinnen und Lehrer von der Schule aus unterrichten können.“

„Ich finde den Online-Unterricht bei so kleinen Klassen sehr vorteilhaft! Ich kann von meinem Zimmer aus teilnehmen und bin trotzdem in der Schule! Die Videokonferenz ist gut verständlich und ich finde sie auch einfacher in der Umsetzung für uns Teilnehmende, weil wir keinen "Druck" haben, weil uns eine Lehrerin oder ein Lehrer im Nacken sitzt. Ich würde es sogar bei so kleinen Klassen bevorzugen, das Homeschooling weiterhin durchzuführen.“