FAQ
Häufig gestellte Fragen
1827 war es der Lehrer Gottlieb Friedrich Wagner, der in Stuttgart die erste Blindenschule gründete. 20 Jahre später nahm sich die Zarentochter und Kronprinzessin Olga von Württemberg dieser Arbeit als Schirmherrin an. Am 15. Oktober 1856 wurde die Blindenanstalt „Nikolauspflege für blinde Kinder“ in der Forststraße in Stuttgart mit elf Zöglingen feierlich unter Teilnahme Ihrer Kaiserlichen Hoheit, der Kronprinzessin Olga, und ihrer Mutter Kaiserin Alexandra von Russland eröffnet. Die hohe Protektorin verlieh dem Haus zum Andenken an ihrem 1855 verstorbenen Vater Zar Nikolaus I. den Namen „Nikolauspflege“.
In Deutschland haben rund 8 Millionen Menschen eine anerkannte Schwerbehinderung. Die meisten dieser Behinderungen sind auf den ersten Blick nicht sichtbar, wie z.B. bei Diabetes, Krebserkrankungen, Rückenleiden etc. Nur ein ganz geringer Prozentsatz der behinderten Menschen ist von Geburt an behindert.
Um ohne visuelle Einschränkung leben zu können, braucht man keine Sehschärfe von 100 Prozent. Mit 50 Prozent darf man gerade noch Auto fahren, mit 30 Prozent kann man bequem ohne Lupe die Zeitung lesen. Bei Menschen mit einer Sehbehinderung kann das Sehen verschwommen sein, die Farberkennung kann beeinträchtigt sein oder es kann Ausfälle im Gesichtsfeld wie z.B. den Tunnelblick geben. Wie stark jemand durch eine Sehbehinderung beeinträchtigt ist, hängt immer auch davon ab, wie gut das verbliebene Sehvermögen genutzt wird.
In Deutschland gilt derjenige als blind, der auf seinem besseren Auge eine Sehschärfe von weniger als 2 Prozent hat bzw. dessen Gesichtsfeld kleiner als 5 Grad ist. Die deutsche Definition von Blindheit ist relativ eng gefasst. In den USA beispielsweise gilt man mit weniger als 10 Prozent Sehschärfe bereits als gesetzlich blind.
Blindheit nach Stufe 5 der WHO:
Blindheit (medizinisch: Amaurose) steht für die fehlende Wahrnehmung von Lichtschein.
Von allen Menschen, die in Deutschland als blind eingestuft sind, haben etwa 5 Prozent überhaupt keinen Sehrest, können also auch nicht hell und dunkel unterscheiden. Späterblindete Menschen, die nicht mehr hell und dunkel unterscheiden können, sehen verschiedene Nuancen von Grau. Man kann nur dann Dunkelheit als Schwärze wahrnehmen, wenn man auch Weiß wahrnehmen kann. Blinde Menschen sehen also nicht, wie viele annehmen, ständig Schwarz. Geburtsblinde Menschen ohne Hell-Dunkel-Wahrnehmung sehen gar nicht, weil für sie die Dimension "Sehen" nie eine Bedeutung hatte.
Nach WHO-Angaben wird Blindheit in Mitteleuropa durch folgende Krankheiten verursacht:
- Altersabhängige Makuladegeneration 50 %
- Glaukom 18 %
- Diabetische Retinopathie 17 %
- Katarakt 5 %
- Hornhauttrübungen 3 %
- Erblindung in der Kindheit 2,4 %
- Andere Ursachen 4,6 %
Geburtsblindheit tritt v.a. bei zu früh geborenen Säuglingen auf. Der hohe Sauerstoffgehalt im Brutkasten zerstört die noch nicht vollständig entwickelte Netzhaut. Weltweit ist der Graue Star die häufigste Ursache für Erblindung.
Nur etwa 30 Prozent der blinden Menschen im erwerbsfähigen Alter haben einen festen, bezahlten Arbeitsplatz. 70 Prozent der blinden Menschen im erwerbsfähigen Alter sind entweder in Ausbildung, erwerbsunfähig berentet, arbeitslos, Sozialhilfeempfänger oder führen zu Hause den Haushalt. Leider gibt es keine gesicherten Daten über die Arbeitslosenquote blinder Menschen. Sie liegt auf jeden Fall über der allgemeinen Arbeitslosenquote.
Zum Ausgleich ihrer behinderungsbedingten Mehraufwendungen (z.B. Taxifahrten, Haushaltshilfen, Vorlesehilfen, Begleitung, Hilfsmittel) bekommen blinde Menschen unabhängig von ihrem Einkommen ein sogenanntes Landesblindengeld. Blinde Menschen haben eine anerkannte Schwerbehinderung von 100 Prozent. Außerdem fahren blinde Menschen im öffentlichen Nahverkehr frei und dürfen bei Fernfahrten kostenlos eine Begleitperson mitnehmen.
Die Punktschrift wurde 1825 von dem blinden Franzosen Louis Braille entwickelt. Die Schrift besteht aus erhabenen Punktekombinationen, die mit den Fingerkuppen gelesen werden können. Blinde Kinder lernen diese Schrift oft von Anfang an in der Schule. Sie können damit dann meist ebenso schnell schreiben und lesen wie sehende Schüler mit der Schrift der Sehenden. Für späterblindete Menschen ist es sehr mühsam, die Punktschrift zu lernen. Wenn man noch jung genug ist und der Tastsinn in den Fingern nicht beeinträchtigt ist, braucht man ungefähr ein Jahr, um ein geübter Punktschriftnutzer zu werden. Aufgrund der Überzahl der späterblindeten Menschen können nur etwa 20 Prozent aller blinden Menschen in Deutschland Punktschrift lesen. Punktschriftbücher brauchen etwa 30- bis 50-mal so viel Platz wie ein Buch in Schwarzdruck.
Blinde Menschen haben zu allen Zeiten und in allen Kulturen Stöcke benutzt, um ihren Weg abzutasten. Der Weiße Langstock in seiner jetzigen Form und Funktion ist aber eine relativ junge Erfindung. Mit der Zunahme des Autoverkehrs musste der Stock eine Signalfunktion erhalten, um sehende Verkehrsteilnehmer rechtzeitig auf blinde Fußgänger aufmerksam zu machen. Aus diesem Grund hat der Stock die Farbe Weiß erhalten. Die durchgreifende Idee dazu hatte die Gräfin Guilly d`Herbemont im Jahre 1931 in Paris. Mit gebührender öffentlicher Aufmerksamkeit überreichte sie 100 weiße Stöcke an blinde Franzosen. Am 15. Oktober 1964 übergab der damalige US-Präsident Lyndon B. Johnson blinden Amerikanern ebenfalls Weiße Langstöcke. Diese Aktion gilt als der Beginn eines systematischen Trainings in Orientierung und Mobilität mithilfe des Langstocks. Seither wird der 15. Oktober weltweit als "Tag des weißen Stockes" begangen, an dem die Blinden- und Sehbehindertenverbände mit zahlreichen Aktionen auf ihre Anliegen aufmerksam machen.
Ein blinder Mensch kann sich aus freien Stücken für einen Blindenführhund entscheiden. Zurzeit gibt es in Deutschland etwa 2.500 Blindenführhunde. Es entscheiden sich nicht alle blinde Menschen für einen Führhund, da er wie jeder Hund täglich Auslauf, Zuwendung und Pflege braucht. Wer aber einen Führhund möchte, sucht sich eine Führhundschule aus und schickt einen Kostenvoranschlag an seine Krankenkasse. Zurzeit bekommt man dann (manchmal muss man vorher gegen den ablehnenden Erstentscheid Widerspruch einlegen) eine Bewilligung zur Kostenübernahme. Ein Führhund führt um Hindernisse herum bzw. bleibt vor Treppen und Bordsteinen stehen. Er reagiert auf Kommandos wie "Weg links" oder "Such den Eingang". Häufig gegangene Wege kennt der Hund auswendig und läuft sie auch ohne Kommandos. Der blinde Hundehalter muss immer "Chef" des Gespanns bleiben und wissen, wo er sich ungefähr befindet und wo er hin möchte. Blindenführhundehalter schwören in aller Regel auf dieses "lebende Hilfsmittel" auf vier Pfoten, weil der Hund ihnen wesentlich mehr Mobilität, Sicherheit und positiven Kontakt zu Mitmenschen ermöglicht. Der Führhund darf fast überall mitgenommen werden: ins Kino oder Theater, in den Supermarkt, zum Arzt, in die Passagierkabine im Flugzeug, in die Uni oder an den Arbeitsplatz. Außerdem ist die positive Wirkung auf die Psyche des Hundehalters nicht zu unterschätzen. Wenn ein Hund nicht krank wird, kann er fast zehn Jahre als Führhund arbeiten. Die Hunde machen ihre Arbeit gern. Man muss allerdings daran denken, dass Hunde keine Maschinen sind und auch einmal Unsinn machen oder spielen möchten, ängstlich sind oder einfach einen "schlechten Tag" haben.
Taktile Leitstreifen, akustische Ampelanlagen, Ansagen in Bussen, Bahnen, Fahrstühlen etc. sind ausgesprochen sinnvolle Hilfen für blinde Menschen. Leider sind noch nicht alle Ampeln mit einem akustischen Signal versehen, so gibt es in Hamburg etwa 1.500 Ampelanlagen und davon sind nur ca. 170 akustisch ausgestattet. Nur bei jeder zehnten Ampel wurde also an blinde Fußgänger gedacht. Für sehbehinderte Menschen ist eine kontrastreiche Gestaltung des öffentlichen Raumes, wie z.B. weiße Streifen auf Stufen oder an Bahnsteigen, sehr hilfreich. Es kann vorkommen, dass sich die Bedürfnisse unterschiedlicher Behinderungsgruppen widersprechen. Rollstuhlfahrer profitieren von abgesenkten Bordsteinen, was für blinde Menschen gefährlich sein kann.